mehrere Bahnradfahrer im Wettrennen
moderner Bahnradsport heute mthrmyt – stock.adobe.com

Bahnradsport: Sechstagerennen gestern und heute

Hier erfährst du alles darüber, was das Sechstagerennen ausmacht, welche historische Entwicklung es nahm und wie man diese Leidenschaft heute ausleben kann 

  • 5 Min.
  • 30/10/2023 - 09:00
  • Lena von linexo
  • Auf einen Blick

Von der Formel 1 kennt man das ja: Ein in irrer Geschwindigkeit ausgetragener Wettkampf über maximal zwei Stunden, der immer im Kreis herumführt. Aber ein Turnier über ganze sechs Tage? Das Sechstagerennen ist ein Unikum im Radsport: Schier endloses Rundendrehen geht eine Allianz mit Feierlaune und Rummelplatzatmosphäre ein. Genau diese bunte Mischung sorgt dafür, dass diese besondere Form des Bahnradsports nun schon im dritten Jahrhundert viele fasziniert, manche polarisiert, aber niemanden gleichgültig lässt. Hier erfährst du, was das Sechstagerennen ausmacht, welche historische Entwicklung es nahm, wie gewertet wird und wo man der Leidenschaft fürs Dauerradfahren auch heute frönen kann. 

Ein Kuriosum des Bahnradsports

Ein Nonstop-Radrennen über sechs Tage – wohlgemerkt auf Hochrädern – auf diese Idee muss man erst einmal kommen. So geschehen im britischen Birmingham. 1875 strampelten sich dort erstmals Einzelfahrer – damals noch als rein männliche Disziplin – zwölf Stunden täglich die Seele aus dem Leib. Das ging so von montags bis samstags. Wegen des sonntäglichen Ruhetags kam dieser Auftakt des Bahnradsports zu seinem Namen Sechstagerennen. Ursprünglich war diese zumindest für das Publikum unterhaltsame Veranstaltung ein Produkttest der benutzten Räder. Gewonnen hatte, wer innerhalb dieser sechs Renntage am meisten englischen Meilen zurücklegte. Weitere Rennen dieser Art folgten. Die Champions brachten es dabei stets auf um die 1.000 Meilen, was durch die Multiplikation mit 1,6 das ungefähre Kilometer-Äquivalent ergibt.

Sechstagerennen in den USA

Mit wachsender Popularität dieses Fan-Events, das in den Medien breit aufgemacht wurde, gelang der Sprung über den Atlantik in die Vereinigten Staaten. Die Attraktivität des Sechstagerennens speist sich nicht zuletzt aus der knappen Wochenfrist. Am Veranstaltungsort konnte zudem ein lohnender Show- und Gastronomiebetrieb aufgezogen werden. Der Starrummel tat sein Übriges, diesen aufreibenden Bahnradsport zum beliebten Großereignis zu machen. Austragungsorte waren Publikumsmagneten wie der Madison Square Garden. Ein damaliger Held des Sechstagerennens hieß Teddy Hale. 1896 setzte er sich gegen 30 Mitstreiter durch und fuhr ganze 1.910 Meilen im Kreis herum – wobei zehn Runden einer Meile entsprachen. Allmählich wurden die Räder moderner. Neben Einzelfahrern wurden nun auch Rennen mit Zweier-Teams rund um die Uhr möglich sowie Sechstagerennen, in denen Frauen an den Start gingen. Abseits der umkämpften Bahn zählte das Sehen und Gesehen-werden, trafen sich die oberen Zehntausend und die Halbwelt, fieberten und feierten die Massen mit ihren Idolen.

Berlin als Bahnradsport-Mekka

Dass die Fahrer und Fahrerinnen überhaupt sechs Tage lang durchhielten, verdankten viele von ihnen diversen Aufputschmitteln, die wir heute als Doping bezeichnen würden – von der noch eher harmlosen Koffeininjektion bis zur Verabreichung von Heroin. Auch in Deutschland war nach der vorletzten Jahrhundertwende das Sechstagerennen-Fieber ausgebrochen. Bald entwickelte sich Berlin zu einer Art Welthauptstadt dieses Bahnradsports. Damit sich die Zuschauer beim sechstägigen Dauer-Kreisverkehr nicht langweilten und um unfaire Ergebnisse zu verhindern, wurde die sogenannte Berliner Wertung eingeführt: Mannschaften, deren Kilometerstand am sechsten Tag zu eng beisammen lag, mussten 10 Wertungsspurts absolviert und dabei Punkte sammeln. So kam ganz zum Schluss noch einmal richtig Spannung auf. In den USA wurde die Berliner-Wertung übernommen und mit bisweilen 195 Wertungsrennen auf die Spitze getrieben. Berlin als Vergnügungs-Weltmetropole der Zwanziger Jahre richtete in der Zwischenkriegszeit mehrere Sechstagerennen im Jahr aus. Franz Krupkat und Richard Huschke, das Siegerteam des Jahres 1924, brachten es zusammen auf über 4.500 Kilometer. Berlin lag damals bei den verkauften Tickets und der Qualität der Rennteams gleichauf mit New York.

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Neues UCI-Reglement für den Bahnradsport

Die Verbindung aus Sport und Publikumsparty mit Musik, Bier, Bratwurst und Varieté war dem Hitlerregime suspekt. Reglementänderungen führten zum Niedergang dieses belebten Turniers in Deutschland. Ein Neustart in der Nachkriegszeit schlug fehl. Die Organisatoren dachten sich immer neue Attraktionen aus, wie den Kampf um den Rundenrekord und Ausscheidungswettkämpfe. Doch auch international verlor das Sechstagerennen allmählich seine Anziehungskraft.

Seit 2015 erlebt dieser Bahnradsport jedoch ein Revival in bescheidenerem Ausmaß. Die ausgelassene Feierstimmung ist der stärkeren Besinnung auf das rein Sportliche gewichen. Deutsche Austragungsorte sind heute die ÖVB-Arena in Bremen und vor allem das Berliner Velodrom. Dorthin kommen an allen Renntagen insgesamt bis zu 70.000 Zuschauer, was etwa mit einem Bundesligaspiel vergleichbar ist. Die heutigen Sechstagerennen werden nach dem Reglement des UCI veranstaltet. Diese schreibt unter anderem vor:

  • mindestens 24 Stunden Gesamt-Rennzeit über sechs Tage verteilt
  • Zweierteams mit gleicher Trikot-Rückennummer
  • mehrere Wettkampf-Modalitäten als Mannschaft oder einzeln wie Jagden, Punktefahren, Sprint- und Steherrennen
  • Die Punktwertung entscheidet. Es gibt Wertungssprints.

Six Day Berlin: Gänsehaut-Feeling für Radsport-Fans

2023 fand im Berliner Velodrom das 110. Berliner Sechstagerennen statt: das Six Day Berlin. Es wurde ein Ereignis des Bahnradsports besonderer Art, denn mit dem gebürtigen Berliner Maximilian Levy drehte ein dreimaliger Olympia-Medaillengewinner und vierfacher Weltmeister hier die letzten Runden seiner Karriere. Er war in seiner Heimatstadt neunmal Sieger im Sechstagerennen. Lasse auch du dich von Emotionen mitreißen, die es so nur bei dieser ganz speziellen Turnierform gibt. Das nächste Six Day Berlin wird im Januar 2024 ausgetragen. Auch die Termine für Bremen, Gent und Rotterdam stehen bereits fest.